22. Oktober / km 2701 / Alvega (P)
Immer wenn mich jemand frägt, wohin wir denn eigentlich wollen, und ich erwähne Portugal, dann denke ich, dass mein Gesprächspartner innerlich einen Schritt zurück tut. Es ist so ein Gefühl. Na ja…
Die vierte Woche unserer Reise beginnt mit Nieselregen, dafür ist es schon am Morgen recht warm. Sonst, nach klarer Nacht, starten wir meist mit frostigen 2-3 Grad.
Es ist einsam hier und es wird mit jedem Kilometer einsamer. Man meint, dass die grauen Wolken nicht nur die Sonne, sondern auch jeglichen Laut geschluckt haben. Ganz still ist es wenn wir anhalten, nur das Zwitschern der Vögel und die Glocken der Tiere sind zu hören. Aber die Feuchtigkeit verstärkt die Gerüche. Sie waren gestern schon wunderbar, man kann sie nicht oft genug einsaugen.
Ein Bauer sitzt in seinem Traktor – mit aufgespanntem Regenschirm! – fröhlich zu uns herüber winkend pflügt er sein Feld, leider können wir seine lauten Rufe nicht verstehen.
Letzter Grenzort. Wir kaufen Brot, essen im Schutze einer Bushaltestelle. Die Straße wird immer schlechter. Flüsterasphalt ist was anderes, Dieter kommentiert: „noch zu geizig um mit der Walze darüber zu rollen“. Aber hier will eh keiner hin. Ein paar Exilschafe schauen mitleidig, man erwartet, dass die Welt hier endet.
Sie endet hier. Nicht in Form einer Scheibe an deren Rand man hinunter stürzt. Sie endet an einem Metallzaun mit Überwachungskameras. Der Zaun gehört zu einem spanischen Wasserkraftwerk. – Zugang verboten. Das Kraftwerk ist der einzige bauliche Zugang auf die andere Seite – 120 Meter über den Fluss, der Spanien von Portugal trennt. 120 unüberwindbare Meter für uns. Wir rufen und tatsächlich kommt wer. „Wir dürfen Sie hier nicht durchlassen – Prohibido“, sagen die beiden Männer. Nur am Wochenende ist geöffnet und heute ist Montag. Leider verloren – es gibt einen Weg außen rum, der fast 90 bergige km extra bedeutet. – Auf viel Bitten und Betteln ruft er seinen Chef an: doch auch dieser verbietet uns telefonisch die Passage. Das kann einfach nicht wahr sein! Wir stehen fassungslos vorm Zaun. Dann höre ich den Kollegen sagen: „aber Bootsfahren, das ist nicht verboten“- er zwinkert uns zu…
die Welt endet hier – drüben ist Portugal
Wir finden tatsächlich das besagte Boot. Es ist nicht sehr vertrauenserweckend und ich hoffe, dass das Wasser darin vom heutigen Regen stammt. Aber es ist eine Chance. Radels und Gepäck schaffen wir den Hang hinunter und verladen alles so, dass wir auch noch rudern können. So beginnt die gemächliche Einreise nach Portugal, vom Boot aus das Kraftwerk umschiffend. – wir sinken nicht, verlieren kein Gepäck, nass sind wir eh – und glücklich endlich drüber an zu gelangen.
unsere Einreise nach Portugal
Auf dem Schild steht: „Bem Vindo“ – zumindest heißt uns Portugal willkommen.
Wir schaffen es noch bis Alvega. Ein freundlicher Mann verkauft uns das Nötigste und gibt uns den Tipp, dass es über der Cervejeria (Kneipe) nebenan Zimmer gibt. 25 Euro kostet die Nacht, die haben bestimmt auch noch ein Bier für uns. Verstehen können wir gar nichts mehr. Die Menschen sagen irgendetwas, man schaut sich ungläubig an und lacht… das kann ja heiter werden.
Aber das Gefühl, dass die Spanier und die Portugiesen sich nicht so sehr mögen, das hat sich heute nicht wirklich entkräftet …