24. Oktober / Lisboa

24. Oktober  / Lisboa

Wir hätten gestern Abend einfach nur noch einen Kilometer den Berg runter fahren sollen und wären im Pensao /Hospedaje/Hotel/ Rooms … Eldorado gelandet. Hier gibt es Unterkünfte ohne Ende, hinterher ist man halt immer klüger.

Im Tageslicht ist der düstere Hochhaus –Charakter, den die Stadt bei unserer Ankunft hinterlassen hat, wie weg geblasen. Den ganzen Tag laufen wir umher, durch die verwinkelten Gässchen, entdecken eine Sehenswürdigkeit nach der nächsten. Von den Hügeln hat man ein riesen Panorama über die Stadt, das ist eine Wucht! Besonders beeindruckt hat uns ein uralter eiserner Fahrstuhl von 1902, der mitten in einer der Gassen steht und weiter draußen die „Monsteiro dos Jeronimos“.

eiserner Fahrstuhl mitten in der Gasse

Unsere heute erstandenen Schätze sind eine neue Gaskartusche und ein Messer …

Die vielen, neu gewonnenen Eindrücke würden wir morgen gerne mit auf die Reise nehmen. Die Kleider sind gewaschen, der Hintern erholt, alles sieht gut aus für die Weiterfahrt – nur die Wetterprognose für morgen, die steht auf Gewitter und viel, viel Regen …

23. Oktober / km 2867

23. Oktober / km 2867 / Lisboa (P)

Wenn man schon mal über einer Kneipe nächtigt, dann muss man auch noch einen Trinken gehen, oder? „Sagres“ oder „Super Bock“ heißen die beiden gängigen Biere. Die ältere Dame hinter der Theke bringt  uns das gewünschte, „zwei Bier“ sagt sie plötzlich. Wie sich gleich darauf herausstellt, hat sie die Worte soeben gelernt –von einem der Männer, die sich vermutlich jeden Abend hier in der Bar treffen. „Ich fünf Jahre Deutschland, ein Bier, zwei Bier, drei Bier … sonst nix verstehen … Wanne-Eickel, Bochum, Kohle …“  Wir hatten eine lustige aber doch auch ganz seltsam zeitversetze Stunde mit den Leuten in der Bar.

Am nächsten Morgen werden wir auf s herzlichste verabschiedet. Die Dame drückt meine Hände in den ihren. Ich gehe davon aus, dass sie uns auf Portugiesisch nicht die Pest an den Hals, sondern gute Reise gewünscht hat.

Die haben wir erst mal. Sonne, Storchennester, Korkeichen, ganz bäuerliche Landstriche, fast ausschließlich alte Menschen, gekleidet mit Strickjacke, Kopftuch, Gummistiefel … Die Häuser sind auffällig frisch gestrichen, vorrangig weiß. Es gibt aber auch komplett geflieste Fassaden mit feinen Mustern.

Korkeichen

Storchennester auf den Stromasten

Lissabon kündigt sich von weitem an. Dichter Verkehr, Industrie, Genussradeln war anders. Dieter manövriert uns durch die Stadt. Es ist schon dunkel, wir suchen ewig nach einer Unterkunft, sind müde … ein chinesisches Büffet füllt die hungrigen Mägen. Morgen schauen wir, wo wir gelandet sind…

22. Oktober / km 2701

22. Oktober / km 2701 / Alvega (P)

Immer wenn mich jemand frägt, wohin wir denn eigentlich wollen, und ich erwähne Portugal, dann denke ich, dass mein Gesprächspartner innerlich einen Schritt zurück tut. Es ist so ein Gefühl. Na ja…

Die vierte Woche unserer Reise beginnt mit Nieselregen, dafür ist es schon am Morgen recht warm. Sonst, nach klarer Nacht, starten wir meist mit frostigen 2-3 Grad.

Es ist einsam hier und es wird mit jedem Kilometer einsamer. Man meint, dass die grauen Wolken nicht nur die Sonne, sondern auch jeglichen Laut geschluckt haben. Ganz still ist es wenn wir anhalten, nur das Zwitschern der Vögel und die Glocken der Tiere sind zu hören. Aber die Feuchtigkeit verstärkt die Gerüche. Sie waren gestern schon wunderbar, man kann sie nicht oft genug einsaugen.

Ein Bauer sitzt in seinem Traktor – mit aufgespanntem Regenschirm! – fröhlich zu uns herüber winkend pflügt er sein Feld, leider können wir seine lauten Rufe nicht verstehen.

Letzter Grenzort. Wir kaufen Brot, essen im Schutze einer Bushaltestelle. Die Straße wird immer schlechter. Flüsterasphalt ist was anderes, Dieter kommentiert: „noch zu geizig um mit der Walze darüber zu rollen“. Aber hier will eh keiner hin. Ein paar Exilschafe schauen mitleidig, man erwartet, dass die Welt hier endet.

Sie endet hier. Nicht in Form einer Scheibe an deren Rand man hinunter stürzt. Sie endet an einem Metallzaun mit Überwachungskameras. Der Zaun gehört zu einem spanischen Wasserkraftwerk. – Zugang verboten. Das Kraftwerk ist der einzige bauliche Zugang auf die andere Seite – 120 Meter über den Fluss, der Spanien von Portugal trennt. 120 unüberwindbare Meter für uns. Wir rufen und tatsächlich kommt wer. „Wir dürfen Sie hier nicht durchlassen – Prohibido“, sagen die beiden Männer. Nur am Wochenende ist geöffnet und heute ist Montag. Leider verloren – es gibt einen Weg außen rum, der fast 90 bergige km extra bedeutet. – Auf viel Bitten und Betteln ruft er seinen Chef an: doch auch dieser verbietet uns telefonisch die Passage. Das kann einfach nicht wahr sein! Wir stehen fassungslos vorm Zaun. Dann höre ich den Kollegen sagen: „aber Bootsfahren, das ist nicht verboten“- er zwinkert uns zu…

die Welt endet hier – drüben ist Portugal

Wir finden tatsächlich das besagte Boot. Es ist nicht sehr vertrauenserweckend und ich hoffe, dass das Wasser darin vom heutigen Regen stammt. Aber es ist eine Chance. Radels und Gepäck schaffen wir den Hang hinunter und verladen alles so, dass wir auch noch rudern können. So beginnt die gemächliche Einreise nach Portugal, vom Boot aus das Kraftwerk umschiffend. – wir sinken nicht, verlieren kein Gepäck, nass sind wir eh – und glücklich endlich drüber an zu gelangen.

unsere Einreise nach Portugal

Auf dem Schild steht: „Bem Vindo“ – zumindest heißt uns Portugal willkommen.

Wir schaffen es noch bis Alvega. Ein freundlicher Mann verkauft uns das Nötigste und gibt uns den Tipp, dass es über der Cervejeria (Kneipe) nebenan Zimmer gibt. 25 Euro kostet die Nacht, die haben bestimmt auch noch ein Bier für uns. Verstehen können wir gar nichts mehr. Die Menschen sagen irgendetwas, man schaut sich ungläubig an und lacht… das kann ja heiter werden.

Aber das Gefühl, dass die Spanier und die Portugiesen sich nicht so sehr mögen, das hat sich heute nicht wirklich entkräftet …

21. Oktober / km 2578

21. Oktober / km 2578 / Membrio (E)

Es ist einfach nur schön hier. Heute begleitet uns die Muschel des Camino de Santiago durch den Tag. Einige Wanderer sind noch unterwegs, die freundlich grüßen. Aber nur ein „echter“,  so wie man sich ihn vorstellt. Lange Haare, langer Bart, er trägt eine gelbe Reflektoren-Warnweste und zieht sein ganzes Hab und Gut hinter sich her. „Wollt ihr auch nach Santiago?“ – nee, nach Marrakech – „na dann trotzdem gute Reise“.

Pfefferschoten wachsen zuhauf, Tabakfelder säumen den Weg. Aus den Scheunen raucht es – hier wird das edle Gut getrocknet, geräuchert und schwer bewacht von Zähne fletschenden Hunden. In der Ferne hört man Schüsse. Die Spanier sind sonntags auf der Jagd, das scheint eine Lieblingsbeschäftigung der Männer zu sein. Wie radeln ständig durch „eingezäunte, private Jagdgründe“

feurig scharfe Früchtchen

Der große See „Embalsa de Alcántara“, ist eher enttäuschend, fast gänzlich ausgetrocknet. An den Rändern kann man ablesen wie hoch das Wasser manchmal reicht.

Wir radeln am Ufer entlang und wundern uns über all die Serien von Brückenpfeilern, die hier völlig unmotiviert  in der Landschaft stehen. Ein Schild bringt die Auflösung: man baut hier allen Ernstes eine Autobahn nach Portugal! Die Straße ist doch super ausgebaut, Verkehr gibt es fast keinen. Und dann bauen die parallel eine Autobahn  – was bitte soll das?

Es ist wieder spät als wir vom Radel steigen. Aber die Entscheidung  bis hierher weiter zu fahren, hat sich gelohnt. Nur noch ein Katzensprung bis Portugal.  Die Unterkunft ist super nett, ein „Hostal Rural“ mit Charme. Wir sitzen in der Bar unter mehreren Hirschgeweihen, die Männer an der Theke sinnieren über das Leben, der Fernseher plärrt dazu.

Portugal, wir kommen!

20. Oktober / km 2433

20. Oktober / km 2433 / Plasencia (E)

Der Rio Tajo fließt mitten durch die Stadt und ich brauche vor der Abfahrt unbedingt noch ein Wasserpröbchen. Gar nicht so einfach – über Zäune und Mauern müsste man klettern, die ich vermutlich runter, aber nicht mehr hoch käme. Aber dann finden wir doch einen Zugang. Ein älterer Mann beobachtet mich und fragt wie es um die Wasserqualität steht? „Vor 50 Jahren da konnte man aus dem Fluss noch trinken. Schauen Sie sich heute das Wasser an…“  recht hat er! Plastikflaschen und Dosen säumen nicht nur dieses Ufer. „Die Straßenränder schauen ähnlich aus“, sage ich zu ihm… er nickt und setzt seinen Morgenspaziergang fort.

Die spanische Extremadura ist ein wunderschönes Fleckchen Erde. Den ganzen Tag rollen wir hoch und runter, durch die traumhaften Hügel. Moosüberwucherte Felsen, und Bäume , die manchmal komplett von Flechten überwachsen sind. Das Wetter ist uns hold. Nur rechter Hand türmen sich spektakulär die Wolken über dem Gebirge.

Extremadura

In der Mittagspause suchen wir das schöne Messer von Dieter… wir haben heute Abend das ganze Gepäck durchwühlt und es nicht mehr wiedergefunden. Traurig ist das, es hat 30 Jahre treue Dienste geleistet – wir müssen es in Talavera vergessen haben. Es ist der ideelle Wert, der schmerzt.

Mit den letzten Sonnenstrahlen erreichen wir Plasencia im Affenzahn. 8% Gefälle über zwei Kilometer, das rollt gut. Der Supermarkt hält Vorräte für den morgigen Sonntag bereit … ich kaufe wieder viel mehr, als wir essen können – das ist der große „Nimmersatt“ unser ständiger Begleiter.

19. Oktober / km 2283

19. Oktober / km 2283 / Talavela de la Reina (E)

Nach der gestrigen Aktion hat man über Nacht ganz schnell Schilder für uns aufgestellt.

extra für uns …

So bleiben wir schön auf kleinen unspektakulären Nebensträßchen, es hat kaum Verkehr, der angekündigte Regen ist ausgeblieben, nur dicke Wolken begleiten uns durch den Tag – und der Wind hat sich gelegt. !!!

Über die abgeernteten Felder und durch die vielen Olivenbaumhaine rechts und links des Weges springen ständig kleine Wildkaninchen davon. Es muss hier abertausende Kolonien geben, sie graben Loch an Loch…

Kaninchenhöhlen

Seitdem wir über die spanische Grenze gerollt sind, versuchen wir immer wieder, eine Landkarte von Spanien zu erstehen. Für Dieter´s Lenkertasche zur zusätzlichen Orientierung. Das würde vieles erleichtern. In Zeiten von Navi´s  ist das jedoch nicht so einfach. Tankstellen, Buchläden, Zeitungskioske, Reiseagenturen, Tabakläden, alles haben wir schon abgeklappert, wir ernten jedoch nur Kopfschütteln, „versuchen sie es mal dort und dort…“

Gestern hatten wir ja viel Zeit zum Shoppen, eine Landkarte verkauft uns nach wie vor keiner. Dafür sind wir an ganz vielen schönen Fischläden und Serranoschinkenläden vorbeigekommen. Erstaunlich wie viel Fisch es mitten in Spanien gibt und der Himmel hängt überall voller Serranokeulen …

Wir sind vollkommen angefixt und müssen heute Abend unbedingt Krabben puhlen…

war das so lecker

18. Oktober / km 2154

18. Oktober / km 2154 / Valdemoro (E)

Straßenbild noch vor dem eigentlichen Slumviertel

Neben der Autobahn – wir sind die ersten hier…

Frühstück mit Marmelade-/ Nutellabroten und? Na? Richtig: kalte Pizza vom Vorabend. Die Bestellung gestern grenzte eher an Größenwahn als an normalen Hunger, von dieser Menge Pizza werden mindestens drei spanische Großfamilien satt!

So zockeln wir langsam los, neben Nutella/ Marmeladengläsern, Knoblauch, Olivenöl, 750 g Nudeln, Soße, diversen Empanadas (gefüllte Teigtaschen), Käse, Schinken, Brot, 4 Liter Getränk … haben wir nun auch noch einen Pizzakarton unterm Arm, … also verhungern werden wir nicht …

Aus der Stadt heraus zu finden, das dauert … doch dann rollt es prima, Madrid wollen wir großräumig umfahren. Nur Alcalá ist eine der etwas größeren Städte. In der Mittagspause wähnen wir uns schon im sichern Abstand zur Hauptstadt.

Doch dann hört die Straße einfach im Ort auf, Schlaglochpiste, Steine …komisch. Na ja wird nicht lange so sein. Die Häuser ähneln relativ schnell irgendwelchen Baracken, Bauschutt, Müll. Wir sind von einer Minute auf die andere in einer anderen Welt, und diese ist unglaublich elend. Menschen sitzen an Feuern zwischen kaputten Grundmauern. Nee oder ? Wo sind wir? Das GPS schlägt diese als einzige Straße vor …

Ein Mann hält uns an: „hier gibt es nichts zu sehen“, kurz darauf zwei weitere. Einer will wissen wo wir herkommen, Alemania … seltsamerweise spricht er deutsch. „Hier ist kein guter Platz für Euch, zu viele Drogen. Nehmen Sie die Autobahn Richtung Madrid – schnell“. Das ganze Viertel ist ausgehungert, auf Drogen, und das nicht erst seit gestern…

Wir drehen um und nehmen ungerne aber notgedrungen die M 50, breit ausgebaut – die einzige Alternative zum „Slum“ – aber es gibt hier einen schönen breiten Standstreifen, den wir alleine benutzen dürfen. Nach circa 10 km hält uns die Straßenwacht an : „Dies hier ist kein guter Platz für Euch, Ihr dürft hier nicht fahren, das IST eine Autobahn …“

Neben uns verläuft seit ca. einem Km eine kleine Nebenstraße, auf die wir uns auch schon gerne gebeamt hätten. Ganz neu gebaut ist sie und hat noch keinen Anschluss ans Straßennetz. „Fahren Sie besser dort“ sagt der nette Straßenarbeiter und hilft uns die Räder samt Gepäck über die Leitplanken und ähnliche Hindernisse zu schaffen. Vermutlich sind wir die ersten, die die Alternativstraße, zu Autobahn benutzen und einweihen durften …

Wir sind recht früh an unserem Zielort. Weiterfahren ist wegen Unterkünften doof. Und Abenteuer hatten wir heute eh genug…

17. Oktober / km 2057

17. Oktober / km 2057 / Guadalajara (E)

Castello von Jadraque

Für alle Puschelunkundigen: Saltopuschel in Aktion

Klick auf: Saltopuschel

War das eine Plackerei heute! Man hat das Gefühl, dass der Wind täglich zunimmt. In der Mittagspause fasst Dieter den Vormittag zusammen: “Ich trete mir hier die Augen vor den Kopf und der Tacho steht gerade mal auf 12 km/h – und das auf der Ebene…

Mittagspause in einem der wenigen Orte am Weg. Die Fensterläden und Türen sind alle geschlossen, nur zwei Katzen sind unterwegs, sonst keine Menschenseele. Brot gibt es auch nicht zu kaufen, wie wir gehofft haben. Kaum haben wir uns hingesetzt, fährt ein Auto vor, der Fahrer setzt sich auf dem Platz uns gegenüber, macht Mittag. Kurze Zeit später öffnet sich die erste Tür, ein weiterer Mann setzt sich vor sein Haus, weitere folgen. Alle sitzen in gebührendem Abstand und beobachten die Fremden. Wären wir noch länger geblieben, hätte sich vermutlich das ganze Dorf vor die Tür begeben und uns neugierig beäugt. Dann ist da also doch wer …

Die Landschaft ist wunderbar, manchmal fühlt man sich wo ganz anders, vielleicht in der Mongolei? Wenn Dschingis Khan vorbei geritten käme, würde man sich nicht wundern. Aber dann sind da die Castello´s, die uns daran erinnern wo wir sind.

30 Kilometer vor Guadalajara füllt uns eine nette Spanierin noch die Wasserflaschen auf, damit wir die nächsten Höhenmeter überleben – am Ende sind es dann über 1400 geworden, obwohl wir uns ja heute nur auf der Hochebene fortbewegt haben. Trotz Wind und Anstrengung war es eine super schöne Etappe. Nun sind wir glücklich, vor zwei riesen Familien-Pizzen zu sitzen. Uff die haben wir uns verdient.

Dieter schaut sich im Netz die Wetter-Prognose für den morgigen Tag an: ich glaube wir verklagen das Internet …

16. Oktober / km 1931

16. Oktober / km 1931 / Almazan (E)

Tarazona im Morgenlicht

wo die sanften Felle wachsen

Silikonkönig von Almazan

Wir schauen uns noch ein Weilchen in Tarazona um. Im Mittelalter war der Ort von größerer strategischer Bedeutung, es wurden viele Gebäude errichtet, die man heute noch bestaunen kann. Hier her würde ich gerne noch einmal wieder kommen. Die Morgensonne tut das ihr um alles ins rechte Licht zu rücken.

Der Wind pfeift uns wieder um die Ohren, duldet keine weiteren Geräusche neben sich. Er zerrt an der Kleidung, spielt mit dem Lenker. Vor allem bergauf ist das Vorankommen heute sehr mühsam.

Später auf der Hochebene wird es ein wenig besser. Wir sind nun auf 1200 Metern mit weitem, wunderschönem Panorama. Einsam ist es hier oben. Die wenigen kleinen Ansiedelungen scheinen schon lange verlassen. Doch die Felder werden bestellt – also sind schon noch ein paar Seelen hier geblieben. Ein Schäfer zieht mit seiner Herde durch das schwarze, vertrocknete Sonnenblumenfeld. Ein Stromhäuschen im Nirgendwo, die Drähte schon lange gekappt. Irgendwer hat an seine bröckelnden Mauern POESIA = LIBERTAD gesprüht. Im Graben neben der Straße liegt ein überfahrener Rehbock. Die flirrende Sonne lässt alle Kontraste unwirklich stark hervortreten. An den vergessenen Feldrändern, da wo das Gras nicht gemäht wurde, könnte man meinen, der Erde wächst ein richtiges Fell…

Die letzten 30 km müssen wir noch mal richtig gegen den Wind antreten und sind froh, es bis hierher zu schaffen. Unterkünfte sind dünn gesät.

Das Duschwasser stellen wir auf maximale Temperatur. Wärme – oh tut das gut!

Hier oben ist WiFi freie Zone… daher die Verzögerung.

15. Oktober / km 1835

15. Oktober / km 1835 / Tarazona (E)

in Zaragoza wachsen Türme aus dem Kopf

Kleine Rückblende: August dieses Jahr. Es ist ein lauer Sommerabend, Dieter und ich sitzen auf der Terrasse, reden von der großen Fahrt und planen ein wenig wo es denn lang gehen soll. Mit dem Finger auf der Landkarte kommen wir nach Zaragoza (Saragossa). „Hey, da gab es doch mal so ein Lied …“. Das Lied ist von der „Saragossa Band“, die hat vor vielen Jahren in der Disco von Ilja Richter den Zabadak besungen:

Seither witzeln wir, dass wir in Zaragoza auf den lustigen Zabadak treffen werden.

Der lustige Zabadak trifft uns. Beim ersten Schritt heute Morgen aus der Haustüre sind wir sofort im Bilde. Und er ist nicht lustig. Nein der Zabadak ist hundsgemein! Frontal weht er uns mit 55 km/h und ca. 13 Grad Celsius um die Ohren. Nee, das ist nicht witzig!

In Zaragoza Stadt (nach 30 km) müssen wir erschöpfungs- und hungertechnisch schon die erste Pause einlegen. Die Altstadt ist wunderschön, hier lohnt es sich zu verweilen, bevor wir wieder gegen das „himmlische Monster“ antreten…

In Spanien gibt es ja wunderschöne gebührenpflichtige Autobahnen auf denen man bestimmt prima vorankommen kann.  Ein paar tolle Verkehrsplaner sind nun auf die Idee gekommen, die Nationalstraßen auch schön und breit auszubauen. Das hat den Effekt, dass der komplette Verkehr, inklusive Schwerlastverkehr über die kleine Nationalstraße rollt. Die Autobahnen sind bis auf ganz wenig Fahrzeuge komplett verwaist. – wen wundert s, sparen müssen ja alle!

Die Anwohner sagen Danke, prima auch für uns einsame Radfahrer, ganz toll für den Staat, dem so sämtliche Mauteinnahmen flöten gehen. Da hat jemand wieder richtig gut mit gedacht…

(aufgrund des schönen neuen Straßenbelages sind heute auch nur zwei Speichen gebrochen…)

Am Abend entlässt uns der böse Zabadak aus seinen Klauen, die LKW fahren unsere kleine Bergstraße nicht mehr so gerne, es macht wieder Spaß unterwegs zu sein. Ich betrachte die Blätter der Olivenbäume, die in der Abendsonne funkeln. So  landen wir im richtig malerischen Tarazona und mieten uns in einem alten Gemäuer ein, wo früher die Mönche geschlafen haben.